Ostschweizerische Handelsgeschichte im Fokus – wertvolle Forschungsgrundlagen und differenzierte Aufarbeitung dank IHK St.Gallen-Appenzell
Die Industrie- und Handelskammer (IHK) St.Gallen-Appenzell feierte 2022 ihr 555-jähriges Bestehen. Das historische Erbe der IHK respektive ihrer Vorgängerorganisationen, dem Kaufmännischen Directorium und der Gesellschaft zum Notenstein, ist seit 2025 im Stadtarchiv der Ortsbürgergemeinde St.Gallen systematisch erschlossen. Unter www.stadtarchiv-obg.findbuch.net lassen sich über 400 Jahre Ostschweizer Handelspolitik recherchieren; eine ideale Grundlage für Wissenschaft und interessiertes Publikum. Akten und Bücher bieten Einblick in die frühneuzeitlichen und neuzeitlichen St.Galler Handelsbeziehungen und umfassen alles, was für den Handel von Bedeutung ist: von der Organisation des Postwesens über Entscheide zu Münz- und Zollsachen bis zu Unterlagen zu Handelsexpeditionen nach Afrika und Asien.
Handwerk, Handel, Nachfragewandel
«Die IHK St.Gallen-Appenzell nimmt damit ihre historische Verpflichtung professionell wahr», begründet IHK-Direktor Markus Bänziger das gemeinsame Projekt mit dem Stadtarchiv. Zeitgleich zur Erschliessung des Archivs startet die IHK mit einer differenzierten Aufarbeitung der vielfältigen Geschichte von Handel, Industrie und Gewerbe und präsentiert den ersten Band der neuen wirtschaftsgeschichtlichen Forschungsreihe «Beiträge zur St.Galler Wirtschaftsgeschichte». Dr. phil. Nicole Stadelmann, Co-Leiterin von Stadtarchiv und Vadianischer Sammlung der Ortsbürgergemeinde St.Gallen, widmet sich darin den St.Galler Kaufleuten in der Frühen Neuzeit und zeigt auf, dass deren Probleme heute sehr aktuell anmuten: «Ein frühes ‹Freihandelsabkommen› mit Frankreich verschaffte zollfreie Zugänge und rasanten Aufstieg, bis merkantilistische Zollerhöhungen und ein regelrechter Zollkrieg den Handel mit Textilien erschwerten. Gleichzeitig belasteten Kriege und Modewandel die Nachfrage nach der hochpreisigen St.Galler Luxusleinwand.» St.Galler Kaufleute handelten deshalb zunehmend mit fremder, günstigerer Leinwand und stiegen in den Zwischenhandel mit kriegswichtigen Gütern ein. Weil diese Produkte nicht in der Stadt gefertigt wurden, ging der Handel an St.Gallen zunehmend vorbei – mit einschneidenden Konsequenzen für den Produktionsstandort St.Gallen.
Der erste Band der neuen wirtschaftsgeschichtlichen Forschungsreihe trägt den Titel «Handwerk, Handel, Nachfragewandel: Der Produktionsstandort St.Gallen in der Frühen Neuzeit». Die Publikation ist auf www.ihk.ch/wirtschaftsgeschichte abrufbar und kann bei der IHK St.Gallen-Appenzell auch als Printversion bezogen werden.